ihr blick verrät nichts. nichts außer, dass sie ein geheimnis hat. als sie heute morgen aufgewacht ist, war es plötzlich da. sie hatte gar nicht damit gerechnet. sie hatte gedacht, geheimnisse erlebt man oder man bekommt sie – natürlich unter dem siegel der verschwiegenheit – erzählt. von der besten freundin auf der bank am flussufer oder bei einem glas wein am abend. oder man erfährt sie zufällig, weil man gelauscht hat – freiwillig oder unfreiwillig. geheimnisse teilt man vielleicht mit jemandem. oder mit vielen, aber dann sind sie ja keine geheimnisse mehr, oder? gibt es eigentlich eine obergrenze für geheimisteiler? also schon, oder? wenn es mehr als zwei wissen, dann ist es kein geheimnis mehr. kein echtes.
dieses geheimnis aber kam heute morgen zu ihr geflogen, als sie erwachte. es war nur so ein gefühl, aber ein neues, flirrendes. weil es ein geheimnis war, wusste sie selbst nicht, was das gefühl ausmachte. es war ein schönes versprechen an den neuen tag. das gefühl begleitete sie unter die dusche und zum frühstück. auch als sie das haus verließ, war es bei ihr. sie versuchte, das geheimnis zu lüften. schaute die menschen, die ihr begegneten, erwartungsvoll an, doch keiner schien ihr geheimnis mit ihr zu teilen. ihre neugier darauf, was der tag ihr versprochen hatte, wuchs. sie ging mit so offenen augen wie nie ihren alltagsweg. vorbei an der alten villa, hinein in die basaltgepflasterte straße, in der die schritte mancher passanten manchmal so schön klackten. sie schaute nach oben und entdeckte geöffnete fenster, die einen ausschnitt in eine fremde wohnung freigaben. ob hinter einem solchen fenster irgendwo ihr geheimnis lag?
die menschen, die entgegenkamen, reagierten auf ihren blick. manche schauten ungläubig, andere lächelten sie an, manche wandten sich ab. aber ihr geheimnis lüftete niemand.
kann es eigentlich ein geheimnis sein, wenn es niemand kennt? also, wirklich niemand? oder existiert etwas, von dem niemand etwas weiß, gar nicht? werden dinge nur wirklich, wenn irgendjemand etwas von ihnen weiß und – zumindest theoretisch –anderen menschen davon erzählen könnte?
sie ging weiter. ihr geheimnis nahm sie mit in den tag. in den abend. in die nacht. am nächsten morgen war es verschwunden.
BLEIBT inspiriert – traudi
CAMPUS….BEI GALFE’S look: geschwister galfe, schlüsselstücke, hannes roether, drykorn, bling berlin
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